Sprache: German
Autor(en): Ivan Goncharov,
Genre(s): Literarische Belletristik,
Aktuelle Wiedergabe
[1/51] 1. Teil, 1. Kapitel
Der Roman"Oblomow" ist das mittlere und bedeutendste der drei Bücher von Iwan Gontscharow und handelt vom Schicksal eines lebensuntüchtigen russischen Landadligen im spätfeudalen Russland, der seine Tage untätig auf dem Sofa verträumt und lebenslang nichts zustande bringt und letztendlich an seiner eigenen Trägheit vorzeitig zugrunde geht. Der Autor Gontscharow (1812 geboren in Simbirsk, "das Adelsnest" genannt, und gestorben 1891 in Petersburg) hat mit seinem Helden den Prototyp des "unnützen" Menschen erschaffen. Obwohl Gontscharow zeitlebens immer im Schatten von Tolstoi, Puschkin und Turgenjew stand, wurde die "Oblomowerei" zum geflügelten Wort in der gesamten klassischen russischen Literatur und "Oblomow" zum vielzitierten Inbegriff für einen Bummelanten und Faulpelz, der sein Leben in Faulheit, Lethargie, Bequemlichkeit und Schlamperei verbringt . Dabei wirkt der tragische Held durchaus sympathisch und mitleidserregend, denn dank seiner lebenslangen Inaktivität konnte "sein glasklares Herz" paradoxerweise noch nicht einmal irgendeine Schuld auf sich laden. Leider vergeudet er seine Intelligenz und seine Bildung sowie alle seine guten Charaktereigenschaften ohne Sinn und Ziel und sogar die Liebe wird ihm letztendlich zu anstrengend, so dass er schließlich nach kurzem Versuch des Aufraffens wieder in die alten Muster der Willenlosigkeit, Langeweile und Apathie zurückfällt und in Bequemlichkeit als Couchpatato im Schlafrock versumpft. Dabei ist er sich seiner Schwäche durchaus bewusst. "Mein Leben hat mit dem Erlöschen begonnen". Das 9. Kapitel, bereits 10 Jahre vor dem Roman als eigenständige Geschichte vielbeachtet veröffentlicht, weist auf die Ursachen dieser Lebenshaltung hin: eine luxuriöse verwöhnte Kindheit auf dem Landgut, behütet von seiner Helikoptermutter und vielen ständig verfügbaren übereifrigen Bediensteten. Dort werden alle potentiellen Gefahren von ihm ferngehalten und er lernt nur Stagnation, Fortschrittsfeindlichkeit und tief verwurzelte Gewohnheiten. Selbst das Eintreffen eines Briefes sorgt für tagelange Verwirrung für das gesamte Gut, ohne dass er geöffnet wird. Das alles wird so humorvoll und mit so vergnüglicher feiner Ironie beschrieben, dass man den Roman für eine Satire halten könnte. Gontscharow beschreibt hier die parasitäre Lebensweise des überlebten alten russischen Landadligen, die sich dank der Leibeigenschaft (Abschaffung erst 1861) ebenso wie deren Väter und Vorväter von ihren Gütern ein schönes Leben machen konnten, ohne je selbst einen Finger zu rühren und natürlich ohne Interesse an Fortschritt oder Reformen zu haben. Oblomow kennt weder seine finanziellen Verhältnisse, noch wie viel Bauern sein Eigentum sind noch irgend etwas über die Bewirtschaftung des Gutes und so wird er zur leichten Beute von Betrügern. Im krassen Gegensatz zum tatkräftigen Deutschrussen Stolz, einem Vertreter des aufsteigenden Bürgertums, der seinen Jugendfreund Oblomow aus seiner Schlaffheit und Teilnahmslosigkeit herausreißen und ihm gegen die zwielichtigen, intriganten falschen Freunde helfen möchte. In diesem Roman treffen viele Gegensätze aufeinander: Stadt und Land, Landadel und Bürgertum, Herrschaft und Dienerschaft (der Name seines Dieners Sachar bedeutet übersetzt übrigens Zucker) und auch die weiblichen Hauptrollen sind grundverschieden: die für diese Zeit erstaunlich selbstbestimmte, wissbegierige Olga und die anspruchslose, sich bedingungslos aufopfernde Agafja. "Oblomow" ist ein unvergessliches Meisterwerk der klassischen russischen Literatur. Strebt man nach einem sinnerfüllten Leben und nutzt seine Lebenszeit aktiv oder lässt man sich willenlos treiben und verschwendet sie? Diese Frage ist heute genauso aktuell wie vor 170 Jahren in diesem Roman. (Zusammenfassung von Yessy)